Hier zunächst ein Beispiel für Reizüberflutung: Hochsensibilität, macht sich nämlich in allen möglichen Alltagssituationen bemerkbar.
Du stehst am überfüllten Bahngleis, dichtgedrängt umgeben von fremden Menschen. Jemand in deiner Nähe redet lautstark in sein Smartphone, irgendwo hinter dir ertönt schallendes Gelächter von einer Gruppe Reisender.
Eine Durchsage schallt blechern aus den Lautsprechern. Die Räder der einfahrenden Bahn quietschen scharf als sie abbremst. Das Geräusch dringt dir tief ins Ohr und du merkst wie sich dein Körper anspannt.
Ein Typ quetscht sich hektisch an dir vorbei, seinen gelben Koffer hinter sich herzerrend. Die Farbe sticht dir sofort ins Auge. Du bemerkst einen Hauch von Aftershave in der Luft. Da ertönt plötzlich der Pfiff eines Schaffners und du zuckst zusammen, dein Herz beginnt zu rasen.
Du wirfst einen Blick rüber zu der Dame die neben dir steht und siehst, dass sie in einem Buch liest. Sie scheint völlig darin vertieft zu sein, abgeschirmt von dem Treiben und dem Lärm um sie herum – beneidenswert.
Du blickst wieder auf und siehst wie sich ein Pärchen, Hand in Hand den Bahnsteig entlang schlängelt. Du musst an diesen Streit von gestern denken. Wieso nur hast du so heftig reagiert?
Du merkst wie sich Erschöpfung in dir ausbreitet.
Kommt dir sowas bekannt vor?
Deine unmittelbare Umgebung, deine Gedanken und Gefühle – alles sendet dir ununterbrochen Informationen, die du durchgehend aufnimmst, verarbeitest und einordnest, du bist sozusagen immer auf Empfang.
Es scheint als fehle dir ein Filter, der die eingehenden Informationen selektiert und abmildert. Woran das liegt? Du bist vermutlich hochsensibel. Denn Hochsensibilität (high sensitivity) bringt die sehr ausgeprägte Empfänglichkeit für Sinneseindrücke und emotionale Empfindungen mit sich.
Anders als bei Menschen mit einem „dicken Fell“ sind Hochsensible stetig offen, für jegliche Art von äußeren sowie inneren Reizen, und sie empfinden diese zusätzlich noch sehr intensiv.
Was dann leicht passieren kann ist eine Überstimulation, also eine Überreizung, welche sich bei hochsensiblen Menschen durch gesteigerte Stressreaktionen wie erhöhte Nervosität, Reizbarkeit, emotionale Überwältigung oder das Bedürfnis nach Rückzug und Stille bemerkbar machen kann.
Auch rein körperliche Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Verspannungen und Magen-Darm-Beschwerden können durch Überreizung auftreten.
Es ist nicht leicht, sich im Alltag vor Reizüberflutung zu schützen. Doch wenn du die Auslöser genau kennst und weißt, was sie bei dir bewirken, kannst du gezielter darauf reagieren und letztendlich durchaus vorbeugend handeln.
Aber welche Arten von Reizen können zu einer Reizüberflutung beitragen bzw. zu einer Überreizung führen?
Inhalt
Infobox: Wusstest du, dass schätzungsweise 15 bis 20 Prozent der Menschen hochsensibel sind? Manche sagen sogar es sind 30 Prozent! Du bist also nicht alleine damit.
Sinneswahrnehmungen
können bei hochsensiblen Menschen eine Überstimulation auslösen
Hochsensible Menschen nehmen ihre Umwelt viel intensiver wahr, als nicht-hochsensible Menschen und so können allein schon Sinnesreize dafür sorgen, dass es zu einer Überreizung kommt.
Das betrifft die visuelle, akustische und olfaktorische Wahrnehmung, also alles was als Licht, Geräusche und Gerüche in dein Bewusstsein tritt, aber auch der Geschmacks- und Tastsinn, gehören zu den klassischen fünf Sinnen des Menschen.
Alle Sinneseindrücke nimmst du als hochsensible Person verstärkt wahr und somit können die damit einhergehenden Empfindungen, in ihrer Intensität, für dich extremer ausfallen.
Besonders wenn mehrere Reize gleichzeitig auf dich einwirken und die Reizverarbeitung auf Hochtouren läuft, kann es passieren, dass du überreizt wirst.
Das Gehirn und das Nervensystem werden von den Sinneswahrnehmungen regelrecht überflutet und arbeiten in voller Auslastung. Dadurch kann es zu Kopfschmerzen, innerer Anspannung oder Gereiztheit kommen.
Insbesondere in Umgebungen mit flackerndem oder sehr hellem Licht, mit grellen Farben oder an überfüllten öffentlichen Orten, mit lauten Geräuschen, kannst du schnell in den Zustand der Reizüberflutung geraten.
Die Fähigkeit fokussiert und konzentriert oder gelassen und entspannt zu bleiben, kann damit deutlich nachlassen und das Wohlbefinden kann stark darunter leiden.
Emotionen und Gefühle
sind für Hochsensible Personen starke innere Reize
Oft zeigt sich Hochsensibilität darin, dass die eigenen Emotionen und Gefühle sehr fein und tief empfunden werden. Das bedeutet, dass du jegliche emotionalen Reize ziemlich intensiv erlebst, was leicht zu einer Überstimultation führen kann. Deine Empfindungen nehmen dich stark mit und lösen einiges in dir aus.
Positive Emotionen wie Freude oder Stolz können so stark von dir durchlebt werden, dass du weinen könntest vor Glück oder überschwänglich und ausgelassen bist und dich dabei besonders erfüllt oder selbstbewusst fühlst.
Andersherum wirken negative Gefühle wie Angst, Enttäuschung oder Wut so durchdringend und mächtig auf dich ein, dass sie dich regelrecht lähmen können. Oder aber sie brechen in einer besonders starken Reaktion aus dir heraus, was sich in Form von Panikattacken äußern kann oder durch Wutanfälle, bei denen du kaum mehr klar denken kannst.
So enorm auf emotionale Reize zu reagieren ist anstrengend und es macht dich anfällig für Überwältigung.
Mitmenschen
können hochsensible Menschen überreizen
Gerade hochsensible Menschen sind besonders empathisch veranlagt und neigen daher dazu, die Gefühle ihrer Mitmenschen nachzuempfinden.
Zusätzlich zu ihren eigenen Emotionen erleben sie also auch die ihres Gegenübers und zwar ganz automatisch – das Nachfühlen kann nicht einfach „abgestellt“ werden.
Während der Interaktion mit anderen Menschen kann also ganz leicht eine Überreizung entstehen.
Das ist auch der Grund, warum es sein kann, dass du beispielsweise in einem Gespräch erst sehr nahbar wirkst und dich mitfühlend zeigst, du aber ab einem bestimmten Punkt dicht machst und dich emotional abkapselst.
Es ist ein Eigenschutz, der dich davor bewahrt immer noch mehr Reize in Form von Emotionen aufzunehmen.
Wenn die Menschen um dich herum selbst sensibel sind, sie also die Veränderung in deiner Zugänglichkeit bemerken, können dich diese Menschen unterstützen, indem sie dir etwas Zeit zum Sammeln geben.
Die hohe Empfänglichkeit für die Gefühle deiner Mitmenschen, kann auch dazu führen, dass du zwischenmenschliche Konflikte und Spannungen feinfühliger und intensiver wahrnimmst. Du bemerkst eine angespannte Stimmung früher, und einen Streit nimmst du dir mehr zu Herzen.
Deine ausgeprägte Empathie lässt dich in einer Auseinandersetzung außerdem immer auch die Ansicht der Gegenseite nachvollziehen, was eine enorme Stärke für die Streitschlichtung ist, was aber ebenfalls zu emotionaler Überlastung führen kann, weil du quasi beide Seiten des Streites gleichzeitig durchlebst.
Oft entsteht daraus ein Vermeidungsverhalten, um Raum für Regeneration zu schaffen, weshalb hochsensible Menschen allgemein oft als konfliktscheu und harmoniebedürftig gelten.
Wenn in Konfliktsituationen ein Rückzug aber nicht möglich ist oder wenn die eigenen Gefühle hochkochen, bis sie das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen bringen, kann es aber auch passieren, dass es regelrecht aus dir herausbricht, was sich in einer besonders stark anklagenden oder abwehrenden Reaktion deinerseits zeigen kann. Von deinem Gegenüber wird ein solcher Ausbruch meist als völlig überzogen eingestuft.
Wichtiger Hinweis: Für Außenstehende wirkt es oft so, dass die Reizschwelle einer highly sensitive person (engl. für hochsensible Person (HSP)) herabgesetzt ist, dabei sorgt die deutlich intensivere Empfindung in sozialen Situationen vielmehr dafür, dass der Körper früher überreizt wird, also schneller kapituliert.
Gesellschaftlicher Druck
kann bei Hochsensibilität zu Überreizung führen
Diesem Kapitel habe ich eine persönliche Note gegeben. Ich bitte dich dies zu berücksichtigen, denn ich schreibe hier von subjektiven Empfindungen und wie ich selbst gesellschaftlichen Druck empfinde. Vielleicht findest du dich darin wieder.
So sein wie alle, es so machen wie alle und so denken und fühlen wie alle – in diesem Sein unterscheidest du dich nicht von anderen, grenzt dich nicht ab und fällst damit schlichtweg nicht weiter auf. Du wirst von der gesellschaftlichen Mehrheit somit als „nicht anders“ anerkannt und passt ins Bild.
Für viele Hochsensible ist dies zunächst ein erstrebenswerter Zustand, denn ihre Hochsensibilität unterscheidet sie ja schon von ihren Mitmenschen. Im alltäglichen Umgang mit ihrer Umwelt reagieren und agieren sie ja bereits anders, ohne dass sie darauf aktiv Einfluss nehmen könnten.
Sich also bewusst dazu zu entscheiden, noch weiter aufzufallen, sich vorsätzlich anders zu verhalten, andere Wege zu bestreiten, sich anders zu äußern oder sich emotional andersartig zu zeigen, dass Bedarf einer gewaltigen Portion Stärke und vor allem Mut.
Die Gesellschaft hat nun mal ihre Ideale, denen es zu entsprechen gilt, hat bestimmte Erwartungen, die es zu erfüllen gilt und soziale Normen denen es gerecht zu werden gilt. Dabei ist es egal ob diese gesellschaftlichen Ansichten bereits veraltet sind oder sich im Wandel befinden, denn so oder so geht ein gewisser Druck von ihnen aus. Denn beugt man sich ihnen nicht, dann fällt man zwangsläufig auf. Und was dann folgt sind nicht selten Urteil und Konfrontation. Es wird geredet, über dich, oder mit dir, so oder so, es geht um dich und deine Andersartigkeit.
Wenn dabei ein direkter Austausch miteinander erfolgt, und möglicherweise echtes Interesse des Gegenübers besteht, können Hochsensible meist gut mit der Situation umgehen, denn die Möglichkeit sich zu erklären und ihr Verhalten oder Handeln zu begründen ist gegeben. Leider kann dies den faden Beigeschmack annehmen sich zu rechtfertigen, aber zumindest schafft es Raum für Verständnis und Akzeptanz.
Vollends nachvollziehbar für andere, nicht hochsensible Menschen, wirst du allerdings auch durch die beste und offenste Kommunikation nicht werden. Denn das Innere hochsensibler Menschen ist derart komplex, das Worte es nie ausreichend beschreiben könnten.
Aber auch echtes Unverständnis, Kritik oder Verurteilung kann dir entgegenschlagen, bei dem Versuch dich auszudrücken. Das passiert dann in Form von offenen Äußerungen wie „das finde ich nicht richtig“ oder „das kannst du doch nicht machen“ bis hin zu wertenden Aussagen wie „das ist nicht in Ordnung„.
Aber auch versteckte Bemerkungen oder vorgetäuschte Zustimmung können auftreten.
Da hochsensible Menschen es sehr gut verstehen zwischen den Zeilen lesen, bleibt ihnen dies aber nur selten verborgen. Ebenso bemerken sie feinste Züge in Gestik und Mimik ihres Gegenübers und wissen diese zu deuten.
Es gibt im Umgang mit gesellschaftlichem Druck also zwei Möglichkeiten für Hochsensible:
1️⃣ Sich den gesellschaftlichen Erwartungen beugen und sich weitestgehend anpassen.
Das kann entgegen der eigenen Bedürfnisse und Wünsche erfolgen und dem eigenen Sein widersprechen. Sich dennoch so zu verhalten und zu zeigen wie es erwartet wird, verlangt Hochsensiblen so viel ab, dass durch den Druck eine Überreizung entstehen kann. Man verstellt und verbiegt sich innerlich, und das löst Stress und Unzufriedenheit aus, weil man es anderen recht zu machen versucht und nicht für sich selbst einsteht.
2️⃣ Den gesellschaftlichen Erwartungen entgegentreten und sich davon lösen.
Das ist für das eigene Sein meist eine Wohltat, da es die eigenen Bedürfnisse und Wünsche berücksichtigt. Man achtet dabei auf sich selbst und tritt für sich ein. Jedoch bringt dies eine Aufmerksamkeit des eigenen Umfelds mit sich, die für hochsensible Menschen einschüchternd und beängstigend wirken kann. Wenn nämlich Unverständnis herrscht, entstehen bei Hochsensiblen Emotionen und Empfindungen, ihren Mitmenschen und sich selbst gegenüber, die sehr intensiv sind und stark belasten können. Stress ist vorprogrammiert.
Obwohl es für dich als hochsensiblen Menschen eine enorme emotionale Anstrengung darstellt, Überwindung kostest und Selbstbewusstsein verlangt, aus den gesellschaftlichen Zwängen auszubrechen, ist es unglaublich wichtig, dass du es dennoch tust, dich also für 2️⃣ entscheidest, damit du dir selbst gerecht werden und dich ausleben kannst. Du wirst dabei vielleicht kritisiert werden, für deine Entscheidungen und dein Handeln, aber es hilft dir deinen eigenen Weg zu finden.
Aufgrund deiner hohen Sensibilität bemerkst du leicht kleinste Fehler oder Unstimmigkeiten, sei es in deinem eigenen Handeln oder bei deinen Mitmenschen. Dies kann leicht zu Perfektionismus, übermäßiger Selbstkritik und zu hohen Erwartungen an dich selbst und andere führen.
Hierzu ein Herzenstipp: Versuche dich davon zu befreien – try to be perfectly imperfect.
Was schafft Abhilfe bei akuter Reizüberflutung?
Die durchgehend intensive Wahrnehmung deiner Umwelt, die Reize die fortwährend auf dich einprasseln und die damit verbundenen zahlreichen Empfindungen, führen durch Reizüberflutung oft in einen Zustand der Überforderung und zunehmender Erschöpfung.
Viele Hochsensible benötigen daher regelmäßige Auszeiten und sozialen Rückzug, um der Dauerbelastung gelegentlich entkommen und um all die Eindrücke verarbeiten zu können. Wie lange und wie oft oder in welcher Form dieser „Break“ sein muss, ist ganz individuell und je nach Person verschieden stark ausgeprägt.
Was du noch tun kannst gegen akute Reizüberflutung:
Hochsensibilität bedarf an der Stelle den Einsatz verschiedener Methoden und Strategien die unterstützend wirken. Du kannst aktiv mit Entspannungstechniken arbeiten, z.B. mit Meditation, wenn eine Überreizung droht oder bereits eingetreten ist.
Die erfolgreiche Bewältigung eines überreizten Zustands ist oft leichter gesagt als getan und gelingt nur mit einem gewissen Verständnis dir und deinen Bedürfnissen gegenüber. Zudem bedarf es einiges an praktischer Übung, um sich auch präventiv vor Reizüberflutung schützen zu können.
Lesetipp: Gezielte Bewältigungsstrategien die du anwenden kannst, um auf Überlastung zu reagieren und Stress abzubauen findest du hier. Informiere dich jetzt.
Häufig gestellte Fragen zum Thema „Hochsensibilität“:
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Was tun bei Reizüberflutung Hochsensibilität / hochsensibel?
Als hochsensibler Mensch ist es bei Reizüberflutung wichtig, sich in ruhige Umgebungen zurückzuziehen, Entspannungstechniken anzuwenden, sensorische Reize zu minimieren (z.B. Musik leise drehen, Licht dimmen) und sich Zeit für Regeneration und Selbstfürsorge zu nehmen, wie z.B. durch Meditation.
Wie merkt man eine Reizüberflutung?
Eine Reizüberflutung zeigt sich bei Hochsensiblen durch gesteigerte Stressreaktionen wie erhöhte Nervosität, Reizbarkeit, Müdigkeit, emotionale Überwältigung oder das Bedürfnis nach Rückzug und Stille.
Warum es so anstrengend ist hochsensibel zu sein?
Hochsensible Menschen nehmen Reize aus ihrer Umwelt und damit verbundene Eindrücke und Emotionen tiefgehend war und reagieren auch sehr intensiv darauf. Dies kann schnell zu Erschöpfung führen, da Körper und Geist stark gefordert sind, um mit der Umgebung umzugehen.
Wie reagiert der Körper auf Reizüberflutung?
Der Körper reagiert auf Reizüberflutung mit verstärkten Stressreaktionen wie erhöhtem Herzschlag, Anspannung der Muskulatur, vermehrter Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin. Dies kann zu körperlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden oder Schlafstörungen führen.